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Wegezeitverkürzung für Studentinnen und Studenten

Das immer wieder ins Feld geführte Hauptargument für eine Seilbahn ist die Fahrzeitverkürzung zur Universität. Oft hört an dieser Stelle die Betrachtung auf, selbst Ulrich Jaeger, Geschäftsführer der WSW Mobil, gibt zu, dass bei der Beurteilung der Seilbahn nur die Fahrzeiten herangezogen wurden. Die tatsächlichen Wegezeiten wurden nicht betrachtet und die WSW Mobil werden die Wegezeiten nicht betrachten, solange die Politik für weitere Untersuchungen keinen Auftrag erteile, so der Chef der WSW Mobil. Sinngemäß sagte Ulrich Jaeger:

„Die WSW Mobil werden die Wegezeiten nicht betrachten, solange die Politik für weitere Untersuchungen keinen Auftrag erteilt.“

Die aufmerksame Bürgerin und der aufmerksame Bürger können sich durchaus selber ein Bild von den Wegezeiten machen. Als Erstes sollten die tatsächlichen Fahrzeiten und die Fahrzeiten nach dem Döppersberg-Umbau ermittel und aufgeschrieben werden. Aus den ehemaligen und aktuellen Fahrplänen der WSW Mobil sowie der Vorstudie zur Seilbahn erfährt man die Fahrzeiten.

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Tabelle 1: Fahrzeiten

Um von der reinen Fahrzeit zur Wegezeit zu kommen, müssen weitere Zeitbestandteile herangezogen werden (vergleiche Standardisiertes Bewertungsverfahren 2006, Intraplan Consult, hier ohne Widerstandsbetrachtung):

Die Wegezeit setzt sich zusammen aus der Zeitdauer des Fußwegs vom Startpunkt zum Einstiegspunkt, der Wartezeit, der Fahrzeit und der Zeitdauer des Fußwegs zum Ziel

Ein großer Anteil der Wuppertaler Studierenden pendelt von außerhalb ein. Daher wird zur Wegezeitbetrachtung der Startpunkt im Bahnhofstunnel unter Gleis 1 angenommen. Nun müssen die aufmerksame Bürgerin und der aufmerksame Bürger abschätzen, wie lange man vom Bahnhofstunnel zum neuen Busbahnhof neben Gleis 1 braucht. Und wie lange braucht ein Seilbahnnutzer vom Bahnhofstunnel für die Überwindung der 18 Meter Höhendifferenz bis zur Einstiegsplattform der Seilbahn. Folgende Annahme wird nun getroffen:

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Tabelle 2: Fußwegezeiten am Hauptbahnhof

Die Wartezeit ist zur Hauptverkehrszeit in beiden Fällen sehr gering. Im Zeitraum zwischen 7:30 Uhr und 8:15 Uhr – morgendliche Veranstaltungen an der Universität starten zwischen 8:00 und 8:30 Uhr – fahren 33 Busse Richtung Südhöhen ab, davon sind es 23 zur Universität: das ist ein 117 Sekundentakt, womit die durchschnittliche Wartezeit unter einer Minute ist. An der Seilbahn dürfte keine Wartezeit (theoretischer Mittelwert: 15 Sekunden) entstehen, wenn nicht zu viele Fahrgäste gleichzeitig eintreffen. Das gleichzeitige Eintreffen von Fahrgästen dürfte morgens die Regel sein. Wenn 140 Studierende zur Universität wollen, finden diese, wenn auch eng und unbequem, in einem Gelenkbus Platz. Die gleiche Anzahl von Studierenden braucht vier Gondeln, in denen es genauso eng und unbequem zugehen wird.

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Tabelle 3: Wartezeiten an der Seilbahn

Im Schnitt warten die Seilbahnnutzer eine gute Minute. Aber wenn und nur wenn vorher kein anderer Fahrgast auf der Plattform gewartet hat und zuerst einsteigen darf.

Als letzter Punkt der Wegezeitbestimmung müssen die Fußwege auf dem Campus Grifflenberg abgeschätzt werden. Hierzu sind drei Hörsaalbereiche herangezogen worden. Erstens: Die Hörsäle 4 bis 14, die das Zentrum des Campus ausmachen und um sowie über der Gaußstraße angeordnet sind – nicht ohne Grund sind die Bushaltestellen genau hier platziert. Zweitens: Der neue Audimax Hörsaal 33. Und drittens: Die der Mensa am nächsten liegenden Hörsäle 15 bis 22.

Campus Grifflenberg
Abbildung 1: Campus Grifflenberg mit allen Hörsälen © OpenStreetMap-Mitwirkende

Die Standorte der Hörsäle, der Haltestellen und der Seilbahnstation sind in Abb. 1 visualisiert. Hierbei wird deutlich, dass die Seilbahn nicht nur am äußersten Rand des Campus platziert ist, sondern dass aufgrund der Topographie nicht unerhebliche Höhenmeter zu erklimmen sind. Von der Ebene 5, hier wird mutmaßlich die Seilbahnstation errichtet und das ist – bis auf Kneipe und Mensa – der tiefste Punkt des Campus, bis zur Ebene 8, die Ebene der Bushaltestelle, sind 93 Stufen hinaufzusteigen. Siehe auch: https://www.youtube.com/watch?v=gXmkUIH7LAk

Damit können die Fußwegzeiten abgeschätzt werden.

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Tabelle 4: Fußwegezeiten auf dem Campus Grifflenberg

Wird nun die Busfahrzeit mit 9 Minuten vom Hauptbahnhof zur Universität etwas höher angesetzt als es vor dem Döppersberg-Umbau der Fall war, kann nun der Wegezeitenvergleich durchgeführt werden.

Für die Wegezeit zum Hörsaalkomplex 4 bis 14 stellt es sich für die Seilbahn wie folgt dar: Fußweg zur Station 4 Min., Wartezeit 1 Min., Fahrzeit 3 Min., Fußweg auf Campus 4 Min., Summe 12 Min.

Im Vergleich dazu die Buswegezeit: Fußweg zum Busbahnhof 1 Min., Wartezeit 1 Min., Fahrzeit 9 Min., Fußweg auf Campus 1 Min., Summe 12 Min.

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Tabelle 5: Wegezeitenvergleich

Das Resultat führt zu einem mehr oder weniger erstaunlichen Ergebnis. Die aufmerksame Bürgerin und der aufmerksame Bürger werden im Anschluss die Frage stellen, ob für diese Verkürzung der Wegezeit, wenn es denn überhaupt zu einer Verkürzung kommt – in der Betrachtung wurde nicht untersucht, ob die Seilbahn überhaupt dem morgendlichen Ansturm der Studierenden gewachsen ist -, sich der ganze Projektaufwand lohnt. Das ist also das immer wieder ins Feld geführte Hauptargument. Wenn es nach der Wuppertaler Kommunalpolitik gehen soll: ja.

Die Seilbahn verkürzt die Wegezeit zur Universität in vielen Fällen gar nicht. Im Mittel könnte eine Wegezeitverkürzung von einer Minute angenommen werden.

ÖPNV-Experte Prof. Dr. Fiedler äussert deutliche Bedenken zur Wuppertaler Seilbahn

Der Verkehrsexperte Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Joachim Fiedler und emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für öffentlichen Personennahverkehr an der Bergischen Universität Wuppertal, hat seine Gedanken zum Thema Die Kehrseiten der Medaille „Seilbahn Wuppertal“ veröffentlicht.

Er sieht unter anderem die Gefahr, dass die geplante Seilbahn aufgrund der Unbeqemlichkeiten jedes Umsteigens die Bürger weg vom ÖPNV wieder hin zur Nutzung des eigenen PKW veranlasst. Die für den Bau der Seilbahn verwendeten Steuergelder könnten seiner Meinung nach woanders genutzt werden. Weiter schätzt er die Anzahl der von dem Seilbahn-Projekt negativ betroffenen Wuppertaler Bürger auf ca. 35.000 Menschen und sieht daher das Projekt als schwer vermittelbar an.

Seine komplette Stellungnahme finden Sie, mit der Erlaubnis einer vollständigen Verbreitung, folgend:

Die Kehrseiten der Medaille „Seilbahn Wuppertal“

Euphorisch  verkünden die Vordenker des Projekts:  „Unsere Väter haben die Schwebebahn gebaut – wir bauen die  erste urbane Seilbahn Deutschlands“. Vom Hauptbahnhof soll sie über eine Station an der Universität zum Schulzentrum-Süd gespannt werden. Dazu wären drei Stationsgebäude in Hochlage, 6 Stützen und rund 40 Kabinen für je 35 Personen erforderlich. Die Baukosten von geschätzt 40 Mio. Euro würden, so die Hoffnung, zu 90 Prozent durchs Land gefördert werden.

Also neben Schwebebahn und ZOO ein neues Highlight unserer Stadt!

Aber leider haben es alle bisherigen Vorstudien versäumt, die gesamte Verkehrssituation in Cronenberg, Küllenhahn und der Südstadt zu untersuchen und die Auswirkungen auf die Mobilität der dort angesiedelten Bürgerinnen und Bürger zu benennen. Dementsprechend ist darüber seitens der Medien und der Projektverfechter immer noch wenig zu hören. Deshalb die folgende „Aufklärung“.

Auf dem Hearing am 19.05.15 in der Uni-Mensa versicherte der WSW-Vertreter zunächst, dass der ÖPNV in den obengenannten Stadteilen unter keinen Umständen verschlechtert werden würde. Wenig später hieß es dann, man werde den bestehenden Bus-Verkehr den dann neuen Gegebenheiten „anpassen“, indem

  • die Cronenberger Linien am Schulzentrum-Süd, der Seilbahn-Bergstation enden würden und die Fahrgäste in die Seilbahn umsteigen müssten. Sie könnten aber in nur 9 Minuten bis zum Hauptbahnhof gelangen und unterwegs den täglichen Fahrzeugstau von oben beobachten …  besonders bei Eis- und Schneeglätte!
    Unerwähnt blieb, dass man keine Schwebebahn-Station und auch  nicht die Innenstadt ohne längere Fußwege erreichen kann. Das kostet Zeit ebenso wie das erzwungene Umsteigen zwischen Bus und Seilbahn an deren Bergstation am Busbahnhof des Schulzentrums Süd.
  • Besonders schmerzlich ist das für die zahlreichen Benutzer der Schnellbuslinien CE64 und CE65, die fahrplangemäß nur 12 Minuten vom Hahnerberg – nonstop – zur Ohligsmühle benötigen. Unterm Strich wäre man also sogar schneller als die „gebrochene Verbindung“ unterwegs, sofern ehrlicherweise die genannten Zusatzzeiten berücksichtigt werden würden.
  • Über die Bedienung der Bus-Haltestellen auf der Ravensberger Straße, der Cronenberger Straße und der Augustastraße/Jägerhofstraße war nichts zu hören, auch nichts darüber,  wie die Schülerinnen / Schüler aus der Südstadt ins Schulzentrum gelangen können, und wie Beschäftige, wenn ihre Wohnung und ihr Arbeitsplatz in Südstadt und Cronenberg/Küllenhahn voneinander getrennt liegen.
  • Beklagenswert sind vor allem die Unbequemlichkeiten jedes Umsteigens, im vorliegenden Fall noch „über zwei verschiedene Ebenen“. Dies dürfte manch einen wieder zur Benutzung seines Autos veranlassen und damit der Feststellung, das Projekt sei umweltentlastend, konterkarieren. Ist der angestrebte Nachhaltigkeitseffekt allein durch den  Wegfall der dieselbetriebenen Expressbusse zur Uni und einiger Schulbusse zu erreichen?
  • Am gravierendsten sind die genannten Fahrplan-Ausdünnungen von 20 auf 40 Minuten bzw. 30 auf 60 Minuten Fahrzeugfolgezeiten, vor allem beim Umsteigen auf der Rückfahrt aus der Stadt an der Bergstation.

Wo liegen dann die Vorteile des Projekts und wer würde davon profitieren?

  • All diejenigen, die im nahen Umkreis der Seilbahn-Stationen wohnen oder dort beschäftig sind, können „ihre Station“ schnell zu Fuß erreichen. Doch nur Wenigen dürfte dieses Glück beschieden sein, weil die Wohnbebauung im Einzugsbereich der Bergstation (man rechnet üblicherweise mit unter 400 m) ausgesprochen dünn ist.
    Anders liegen die Verhältnisse an der Zwischenstation „Universität“ in Höhe der Mensa, also am unteren Ende des Campus. Immerhin kann man dort von um die 10.000 potentiellen Seilbahn-Benutzer ausgehen, die den für junge Leute kurzen Fußweg zum Bahnhof scheuen. Für sie wurde seinerzeit die Fußgängerbrücke über den Südstraße extra gebaut.
  • Imponierend ist der mit 30 Sekunden bezifferte Fahrzeugabstand, der in den meisten Betriebszeiten längere Wartezeiten verhindert.
    Erreicht wird das, weil das gewählte System einem horizontalen Pater-Noster gleicht, denn die Kabinen kommen in den Stationen nicht zum Stehen, sondern fahren ganz langsam immer weiter. Bei der Seilbahn in Koblenz hinauf zur Festung Ehrenbreitstein funktioniert das selbst bei starkem Nutzerandrang, auch für Rollstuhlfahrer und Fahrgäste mit Rollatoren oder Kinderwagen!
    Doch sind Alltagsbenutzer ohne Beförderungsalternative mit Touristen zu vergleichen, die in Koblenz die Fahrt über den Rhein als besondere Attraktion ansehen?
  • Begeistert werden die Fahrradfahrer sein, wenn sie nach rasanter Bergabfahrt auf der Sambatrasse den beschwerlich Rückweg per Seilbahn zurücklegen können.
  • Die Initiatoren versprechen sich einen erheblichen Imagegewinn für unserer Stadt und darüber hinaus viele Touristen, die nicht nur von der Schwebebahn sondern dann auch von der Seilbahn angezogen werden würden. Allerdings müsste – nach Dresdener Erfahrungen – ganz schnell für Ersatz des gerade abgerissenen Café Rigi-Kulms gesorgt werden, denn an selber Stelle sollen demnächst Wohnhäuser gebaut werden.

Die Befürchtungen unmittelbar betroffener Bürgerinnen und Bürger können hier nur auszugsweise benannt, aber nicht detailliert behandelt werden:

  • Sie empfinden die Nähe zu einem der 6 Masten als störend.
  • Sie fühlen sich durch die  ständige Überfahrt in ganz kurzen Zeitabständen in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt.
  • Sie erwarten deutliche Wertminderungen ihres Grundstücks und Mieteinnahmenverluste.

Nicht zu vergessen, auch Fördergelder resultieren aus Steuergeldern, die an anderen Stellen fehlen!

Unter all diesen Umständen wird es den Bürgerinnen und Bürgern schwer zu vermitteln sein, dass das bestimmende Entscheidungskriterium fürs Projekt „urbane Seilbahn“ vordringlich dem Streben nach bundesweiter, ja, weltweiter Bewunderung Wuppertals dienen soll, und das zu „Lasten“ von immerhin (geschätzt) 35.000 Bewohnern Cronenbergs, Küllenhahns und der Südstadt
… noch dazu „auf Dauer“!