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Von führenden Seilbahnherstellern NICHT empfohlen

Die Bürgerinitiative „Seilbahnfreies Wuppertal e.V.“ bekommt unerwartete Unterstützung von führenden Seilbahnherstellern. Diese geben einer urbanen Seilbahn in Europa, hinweg über bewohntes Gebiet, keine Chance!

Treffen Seilbahnkritiker (Bürgerinitiative) und Seilbahnbefürworter (Politik & Stadtwerke) aufeinander, fällt Aussenstehenden eine Bewertung anhand der Fülle von Argumenten und Fakten oft schwer. Die Mitglieder von „Seilbahnfreies Wuppertal“ haben in ihrer Freizeit unzählige Stunden investiert, um das Thema in allen Aspekten zu beleuchten. Ganz im Gegensatz zu den Wuppertaler Stadtwerken, welche sich ausschließlich auf drei Dokumente einiger Studenten der Universität Wuppertal, einem Mitglied des Vereins ProBahn und einem selbst ernannten Experten „Seilbahnprofi.de“ zu verlassen scheinen. Anders ist es nicht zu erklären, dass die meisten unserer Fragen von den WSW nicht konkret beantwortet werden. Der Tenor lautet:

Für genauere Untersuchungen bezüglich Seilbahn braucht die WSW einen Auftrag der Politik.

Man kann es ihnen eigentlich kaum verübeln, ist die finanzielle Situation doch nahezu desaströs und jede Betrachtung mangels eigenem KnowHow mit weiteren Ausgaben verbunden. Mancher könnte gar zu dem Schluss kommen, wenn kaum Mittel zur hinreichenden Betrachtung einer Idee vorhanden sind, wie soll dann die Umsetzung selbst zu stemmen sein?!

Dabei könnte es doch so einfach sein, würde man nur die richtigen Leute fragen. Gute Optionen gibt es trotz der relativ neuen Idee, Seilbahnen als ÖPNV-Mittel einzusetzen. Prof. Dr. Fiedler und Prof. Dr. Monheim sind in Deutschland Koryphäen auf dem Gebiet der Verkehrswissenschaft. Letzterer war sogar in der Vergangenheit als Berater des weltweit führenden Seilbahnherstellers Doppelmayr tätig. Beide Experten scheinen sich im Falle der geplanten Wuppertaler Seilbahn unumwunden einig, ihre Kritik lässt nur einen Schluss zu: Das Projekt ist eine absolute Fehlplanung! Über die wichtigsten Aussagen haben wir in den folgenden Artikeln bereits berichtet:

Wem wissenschaftlich arbeitende, unabhängige Experten nicht genügen, darf alternativ auch die beiden führenden Hersteller für große Seilbahn-Systeme, die Firmen Doppelmayr und Leitner befragen. Wer glaubt, diese würden ohnehin nur ihre Produkte verkaufen wollen und das blaue vom Himmel versprechen, irrt. Selbst diese Unternehmen glauben nicht an eine Seilbahn über bewohntem Gebiet. Michael Tanzer von Leitner sieht zum Beispiel bei Schrebergärten ein großes Problem, von denen in Wuppertal gleich vier überflogen werden sollen:

Michael Tanzer, Head of Sales Österreich der Leitner AG:
„Ein interessantes Beispiel: wir haben uns sehr intensiv damit befasst, wo eine Seilbahn stehen könnte, die ins öffentliche Netz eingebunden wird. Irgendwann waren die Schrebergärten Diskussionspunkt: in Deutschland würde es nie erlaubt werden, darüber die Seilbahn laufen zu lassen. Mit diesen Restriktionen wäre die Seilbahn in Caracas nie möglich gewesen. Das ist in Mitteleuropa eine sehr anspruchsvolle Gesetzgebung. Ein weiterer Aspekt ist der Schattenwurf der Seilbahn als unmittelbares Kriterium für eine Zulassung bzw. Ablehnung. Wie viel Schatten verträgt der Anwohner unter der Seilbahn? Da wird also auf hohem Niveau über Verträglichkeit diskutiert.“

Schattenwurf wurde bereits Stolperstein für Windkraftanlagen, welche in der Regel nur noch in ausreichender Entfernung zu bewohnten Gebäuden gebaut werden. Wieso sollten die massiven, alle 30 Sekunden auftretenden Schatten plötzlich kein Problem für Wuppertaler Bürger entlang der Trasse sein?!  (wir berichteten bereits)

Auch der viel gepriesene Vorteil der kürzeren Reisezeit wurde von uns bereits entlarvt. Wolfram Auer von Doppelmayr ergänzt mit seiner Aussage unsere Kritik an der Sinnhaftigkeit und Effizienz. Gibt es im Seilbahnkorridor eine Alternative per Buslinie, wird diese immer effizienter und vor allem preiswerter sein:

Wolfram Auer, Verkauf und Projektierung Deutschland der Doppelmayr Seilbahnen GmbH:
„Eine Seilbahn braucht zwischen 1-2 Minuten, um eine Station zu durchfahren und bis die Kabine auf der anderen Seite wiederherauskommt. Der Bus kann innerhalb von wenigen Sekunden wieder weiterfahren. Also muss man sich sehr genau überlegen für was man die Seilbahn einsetzen will. Die Seilbahn ist sehr gut für eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung oder für eine Verbindung mit drei oder vier Stationen, die allerdings in Abständen von mindestens einem Kilometer aufgestellt sind. Wenn der Abstand zu klein ist, dann fällt oft auch der Vergleich mit den anderen Verkehrsmitteln schwer. Gerade auch wenn wir uns im öffentlichen Straßenraum befinden, wo es einen Korridor gibt, in dem beispielsweise ein Bus fahren kann. Wenn man dem eine eigene Spur gibt, dann ist dieser doch viel effizienter und meistens auch deutlich günstiger als die Seilbahn. Aber wenn es über Hindernisse hinweggeht, dann kann der Bus aufgrund der vielen Umwege schon nicht mehr so schnell sein.“

Das führt unausweichlich zu dem Schluss, den Verkehrsexperten beim Vergleich zwischen Bus und Seilbahn schon lange predigen. Eine Seilbahn macht nur da Sinn, wo eine Anbindung mit einem Bus gar nicht oder nur mit großen Umwegen möglich ist. Als Beispiel sei Koblenz genannt, wo es eine Klippe und einen Fluß zu überwinden gilt und eine Route über Straßen rund 8x so lange ist wie die Seilbahnstrecke.

Während auf der ganzen Welt Seilbahnprojekte in urbanen Gebieten zeigten, dass die tatsächlichen Kosten die Planung um den Faktor zwei bis fünf übertrafen (z.B. London, Weißenstein, Portland, Rio de Janeiro), glauben die Wuppertaler Stadtwerke tatsächlich, die Verbindung zwischen Döppersberg und Küllenhahn für 51 Millionen Euro umsetzen zu können. Dabei geben sie offen zu, die Finanzierung lediglich über eine Excel-Tabelle mit 6 (!) Zeilen geprüft und diverse wichtige Posten noch gar nicht darin kalkuliert zu haben (z.B. Gutachten, Entschädigungszahlungen, Preissteigerungen der nächsten 10 Jahre, zeitgemäße Architektur für Stützen und Stationen, Park&Ride Parkplätze). Im Vergleich mag man also befürchten können, dass das Projekt Seilbahn2025 tatsächlich am Ende zwischen 100 und 150 Millionen Euro kosten könnte. Bei derartigen Investitionen hält Michael Tanzer (Leitner) einen erfolgreichen Betrieb nur mit Ausschüttungen aus dem Verkehrsverbund nicht für möglich:

Michael Tanzer zur geplanten Seilbahn in Hamburg:
„Eine strategische Überlegung: wenn der HVV eine Seilbahn mit 5 Station bauen will, dann belaufen sich die Investitionskosten auf 150-200 Mio. €. Wir bauen das, wir betreiben das und das würde so und so viel Steuergelder verschlingen. Wenn das jetzt ein privater Investor machen würde (z.B. die Stage Entertainment), wollen diese am Ende des Tages mit der Anlage auch Geld verdienen. Dann wird das nicht mit 30 Cent [Erstattung pro Fahrt aus dem Verkehrsverbund, Anmerkung BI] abgetan sein, sondern mit einem durchschnittlichen Fahrpreis zwischen 15-17 € pro Strecke.“

Würde also ein privater Investor die Seilbahn in Wuppertal betreiben, wäre ein Fahrpreis von 10-15 € pro Fahrt anzunehmen, um die Kosten für Installation und Betrieb decken zu können. Derlei Rechnungen gingen bereits bei der Barmer Bergbahn und der Wuppertaler Straßenbahn in die Hose. Wollen wir in Wuppertal also wirklich in ein paar Jahren eine aus finanziellen Gründen still gelegte Seilbahn über der Stadt hängen haben? Vielleicht sind rostige Gondeln aber tatsächlich irgendwann ein touristischer Magnet, so wie heute in Tschiatura, Georgien.

Die Wartung einer Seilbahn ist anspruchsvoll und Bedarf regelmäßiger Stillstandszeiten. Wie wir bereits anhand der Bozener Seilbahn feststellen konnten, sind diese schon planmäßig höher, als die Studien der WSW versuchen darzulegen. Dabei sind witterungsbedingte Ausfälle durch starke Windböen oder Gewitter noch gar nicht abgeschätzt. Eine Sommersaison wie in Skigebieten, wird es bei einer ÖPNV-Seilbahn wie in Wuppertal nicht geben, in der man notwendige Wartungen durchführen könnte. Doppelmayr traut gar Städten bzw. Stadtwerken den ganzjährigen Betrieb einer Seilbahn erst gar nicht zu:

Michael Doppelmayr:
„Ja, auch die Bahnen in London und Lissabon. Wir betreiben auch den Großteil der Cableliner. Das betrifft aber nur Sommerbahnen und eher urbane Bahnen. Das liegt daran, dass die Kommunen ja nicht spezialisiert sind, eine Bahn zu betreiben. Also schreiben sie das aus und wir bewerben uns natürlich auch. Zum einen sind wir generell interessiert, diese Bahnen zu betreiben, zum anderen nimmt es Städten auch die Hürde für den Bau. Man darf nicht vergessen, dass es da ja auch technische Hürden gibt. Eine Bahn in einem Skigebiet hat etwa keine Probleme mit der jährlichen Wartung. Wenn die Saison vorbei ist, stellt man sie eben ab und wartet sie. Bei einer urbanen Bahn geht das nicht – da muss die Bahn im laufenden ­Betrieb gewartet werden.

Sollten der WSW Kosten, Effizienz und Sinnhaftigkeit letztendlich völlig egal sein, bliebe ein wichtiger Punkt, der nicht nur nach unserer Meinung unüberwindbar ist. Zu diesem Schluss kommt auch Doppelmayr nach der Prüfung der Idee einer urbanen Seilbahn in Europa. Besonderes Augenmerk lag dabei von Anfang an auf dem im Grundgesetz verankerten Recht auf Privatsphäre, welches selbst ein größenwahnsinniges Wuppertal nicht beugen können wird:

Michael Doppelmayr, Holdingvorstand der Doppelmayr Holding AG:
In Mitteleuropa wird es Seilbahnen in der Stadt nie geben. Das ist vor allem ein generelles rechtliches Problem. Grundstückseigentümer haben hier einen hohen Stellenwert. Fährt eine Seilbahn über ein Gebäude, verletzt es im Grunde Eigentumsrechte. Es wird also bei uns wohl kaum passieren, dass man wie in La Paz ganze Städte mit Seilbahnen aufarbeitet.“

Wenn sich also ausgewiesene Verkehrsexperten und führende Seilbahnhersteller absolut einig sind, dass die Wuppertaler Planung ein Schuss in den Ofen ist, wieso zum Himmel sollte ein Stadtrat voller Laien auch nur auf die Idee kommen, dass dieses Projekt fortgeführt werden sollte?!

Die aktuellen Planungen haben die WSW und somit unsere Stadt bereits genug Geld und Zeit gekostet, was für deutlich sinnvollere Ideen und Projekte hätte eingesetzt werden können. Wir fordern daher ausdrücklich, dass die Politik diesen Irrsinn schleunigst beendet und es damit anderen wohlhabenderen Städten (z.B. Aachen, Wolfsburg, München, Hamburg) gleich tut, die einer urbanen Seilbahn bereits eine Absage erteilt haben!

Quellen der Zitate:
1. 07.10.2015 Wirtschaftsblatt - „Seilbahnen in der Stadt wird es in Europa nie geben“
2. 20.06.2013 Nexthamburg - Expertencheck - Eine Seilbahn für Hamburg?