Der Verkehrsexperte Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Joachim Fiedler und emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für öffentlichen Personennahverkehr an der Bergischen Universität Wuppertal, hat seine Gedanken zum Thema „Sich durch Seilbahn-Überfahren behelligt fühlen“ veröffentlicht.
Hierin beschreibt er, was eigentlich jeder kennt. Sitzt man zum Beispiel in einem Zug, der mit 100km/h fährt, kann man prima die entfernt liegende Landschaft betrachten und auch Einzelheiten erkennen. Begegnet man aber einem Zug, der sich in entgegengesetzter Richtung bewegt, lässt sich nichts von diesem oder seinen Insassen erkennen.
Einen ähnlich unterschiedlichen Effekt beschreibt er beim Vergleich der Vorbei- bzw. Überfahrt der Schwebebahn bzw. Seilbahn.
Nicht zuletzt sind die Wohnung an der Schwebebahn (z.B. Vohwinkel) in der Regel so ausgerichtet, dass die intimen Zimmer hinten raus gelegen sind. Die Seilbahn soll allerdings quer über private Hausgärten und Dachfenster mit Badezimmern hinweg führen.
Seine komplette Stellungnahme finden Sie folgend:
Es lohnt sich, über die Einflussfaktoren des gefühlten Beobachtetwerdens nachzudenken. Immer wieder meinen vor allem Auswärtige, die Anwohner der Kaiserstraße müssten sich doch in ihren Wohnungen durch vorbeifahrende Schwebebahnfahrgäste geradezu „inspiziert“ fühlen. Antwort: Nein. Und warum nicht? Ganz einfach: Die Bahn fährt zu schnell und zu nah an den Fenstern vorbei, d.h. die „Wahrnehmungsdauer“ ist einfach zu kurz.
In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Seilbahn ganz wesentlich von der Schwebebahn. Ja, es kommen sogar Zweifel an der gepriesenen Überflughöhe von 40 bis 70 m auf. Bei größerer Entfernung zwischen Betrachter und Objekt nimmt die Wahrnehmungsqualität (ohne gute Kameras) – sprich Bildschärfe – zwar ab, die Basis des Sichtkegels aber zu, wodurch die Wahrnehmungsdauer vergrößert wird. Das gilt übrigens in beiden Richtungen, also von der Seilbahn auf die rund 250 Kleingärten und umgekehrt, was das Unwohlsein der Kleingärtner – als Beispiel – verlängert … und zudem die fast ketzerische Frage aufwirft, ob urbane Seilbahntrassen nicht weniger störend möglichst niedrig über Mietshäusern verlaufen sollten, vorausgesetzt der Lärm vorbeifahrender Kabinen ist nahezu Null. Das erträgliche Optimum zwischen den genannten Aspekten wäre zu erforschen.
Kriterien für etwaige „Schmerzensgeldansprüche“ könnten sein: Entfernung zwischen Kabinentrasse und Betroffenen, Wahrnehmungsdauer und Fahrzeugdichte. Das Ergebnis einer solchen Studie könnte dann zu unterschiedlich breiten „Schutzkorridoren“ führen, wie man es vom U-Bahn-Bau wegen denkbarer Erschütterungsschäden durchaus kennt.